The Sounding Archive wurde gemeinsam mit den Live-Kompositionen "Pieces for the Archive I & II" von der Pianistin und Komponistin Eunice Martins als Beitrag zum Projekt Living Archive anläßlich des 50jährigen Bestehens des Vereins Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V. konzipiert. Im Rahmen von Living Archive wurden über 30 KuratorInnen, FilmemacherInnen, KünstlerInnen und andere Forschende eingeladen, im Laufe eines Jahres Projekte aus dem Archivbestand des Arsenal zu entwickeln. The Sounding Archive - eine mehrkanalige Sonifikation der Archivdatenbank - wurde gemeinsam mit vielen anderen Arbeiten zum Abschluß von Living Archiv im Juni 2013 präsentiert.
Im Foyer des Kino Arsenal wurden in zwei verbundenen Fluren insgesamt 8 Lautsprecher aufgestellt, über die in einer permanenten Schleife die 5-stündige Sonifikation als Klanginstallation über den gesamten Monat Juni 2013 jeweils vor und nach den täglichen Filmvorführungen gehört werden konnte.
kurze Videoaufnahme aus dem Foyer des Kino Arsenal (Video: Eunice Martins):
Klangbeispiel (Mikrofonaufnahme aus der Foyer des Kino Arsenal):
Die ASCII-Zeichen aller 8000 Datenbankeinträge des Archivs ergeben - als Audiosamples interpretiert und nacheinander abgespielt - ein Soundfile von 32,7 Sekunden Länge:
Dieses klangliche Grundmaterial wird entsprechend der spezifischen Eigenschaften jedes einzelnen Datenbankeintrags "geformt"/interpretiert - z.B. schneller oder langsamer abgespielt, gefiltert, seine Amplitude oder Hüllkurve verändert etc. Aus der Fülle an Eigenschaften und Daten, die für jeden Film in der Datenbank erfaßt sind, wurden für die Sonifikation nur einige ausgewählt: u.a. duration (Länge in min.), length (Länge in m), ratio, title, reels (Anzahl der Rollen), weight, country, fps (frames per second), year, OA3 create date, tag. Hier einige der ausgewählten Merkmale und die ihnen von uns zugewiesene Funktion oder parametrische Interpretation bei der Sonifikation:
Der Titel eines Films mit seinen einzelnen Buchstaben generiert einen Satz von Resonanzfiltern (kürzere Filmtitel haben demnach weniger Resonanzen, längere Titel haben viele Resonanzen), deren Mittenfrequenzen den relativen Positionen der jeweiligen Buchstaben im Alphabet abgebildet auf den Frequenzbereich des menschlichen Gehörs entsprechen (A bedingt eine sehr tiefe Resonanz, Z eine sehr hohe).
fps (frames per second) bestimmen die Abspielgeschwindigkeit des Soundfiles.
Die Anzahl der Filmrollen (reels) bestimmt die Enge oder Weite eines angelegten Filters
Das Gewicht (weight) bestimmt die Amplitude des Klangs.
Die Länge in Metern bestimmt den Zeitabstand zum Abspielen des nächsten Soundfiles.
Das OA3 (der Name der Datenbank) create date (Datum der Aufnahme ins Archiv) bestimmt, von welcher Stelle aus das Soundfile abgespielt wird: bei Filmeingängen jüngeren Datums beginnt das Abspielen eher von einer Position am Ende, bei älteren Eingängen eher vom Anfang des Soundfiles.
Country bestimmt aus welchen der 8 Lautsprecher entsprechend der geographischen Lage des Landes die Känge des jeweiligen Films kommen. Dabei sind wir in der Platzierung der Lautsprecher von einem imaginären 360° Kreis ausgegangen, dessen Zentrum der Ort des Archivs (Berlin) sein sollte. Von diesem Mittelpunkt aus werden, entsprechend den Himmelsrichtungen, in denen die Länder von diesem Punkt aus gesehen liegen, die jeweiligen Kanäle angesteuert. Dabei "bespielen" näher am Mittelpunkt liegende Länder einen grösseren Kreisabschnitt als weiter entfernte.
Hier eine Visualisierung mit Italien bzw. Rom als Mittelpunkt für die Berechnung der Klangrichtungen der einzelnen Länder (Doppelklicken für bessere Darstellung):
Tag - eine einfache Klassifizierung der Filme in Experimentalfilme, Dokumentarfilme, Kinderfilme etc. - bestimmt schließlich die Art der Klangsynthese und das spezifische Mapping der Datenbankkriterien auf die Klangparameter: wird das oben erwähnte Soundfile gefiltert oder kommen andere synthetische Klänge zum Einsatz? in welchem spektralen Bereich können die Filterfrequenzen liegen? hat die Hüllkurve einen harten oder weichen Einsatz? usw.
Nachfolgend einige exemplarische Klangbeispiele für die verschiedenen tags und die ihnen zugewiesenen Klangsynthesealgorithmen:
Experimentalfilm (Datenbankeintrag Nr. 3, "A & B in Ontario", Ungarn 1966-1984)
Musikfilm (Datenbankeintrag Nr. 4, "1/2 Mensch", Japan 1985)
Dokumentarfilm (Datenbankeintrag Nr. 344, "Pukuanipanan", Kanada 1979)
Zeichentrickfilm (Datenbankeintrag Nr. 744, "Gertie the Dinosaur", USA 1914)
(ohne tag) (Datenbankeintrag Nr. 2, "A & Z", BRD)
Die nach diesen Regeln generierte Sonifikation der gesamten Filmdatenbank hat eine Laufzeit von 5 Stunden und 15 Minuten.