Unsichtbare Städte

Aufführungen

Die Uraufführung fand im August 2016 anläßlich des Festivals INSIDE_OUT in der Emmaus-Kirche in Berlin-Kreuzberg stattl. Im Mittelpunkt dieses viertägigen vom Organisten Thomas Noll initiierten Festivals standen Improvisationen und Kompositionen für Orgel und Elektronik. Jeder Abend wurde von Thomas Noll gemeinsam mit je einem anderen Elektroniker gestaltet. In jedem Konzert dieses Festivals wurde ausgiebig improvisiert und so schloß sich auch unmittelbar an die Unsichtbaren Städte noch eine kurze Improvisation an.

Thomas Noll - Orgel
Andre Bartetzki - Elektronik

Bild- und Klangbeispiele

Videoaufnahme der UA an der de-Graaf-Orgel:


 

Anmerkungen zum Stück

In „Die Unsichtbaren Städte“ (1972) entwirft Italo Calvino 55 fiktive Städte, die Marco Polo dem mongolischen Kaiser von China Kublai Chan als Reiseberichte vorträgt. In in knapper Form - jeweils auf nur ein oder zwei Seiten - erscheinen surrealistische Skizzen von Städten und menschlichen Gemeinschaften mit je anderen außergewöhnlichen und wundersamen architektonischen, topologischen, historischen oder sozialen Eigenheiten, die sich jedoch oft als Makel erweisen und letztlich in eine Katastrophe münden können.

Man kann eine Orgel durchaus mit einer Stadt vergleichen - eine Architektur aus Türmen, Wänden, Fenstern, Dächern, Säulen, mit Kraftwerk, Versorgungsleitungen, Regelsystemen und Schaltzentrale. Ebenso wie die Gebäude einer modernen Stadt haben die Klänge der Orgel Dauer und Statik, türmen sich übereinander, sind modular zusammensetzbar.

In meinem Stück werden - in ähnlich verschachtelter Struktur wie bei Calvino - 15 imaginäre Soundscapes entworfen: bestimmte grundlegende Aspekte der Orgel, ihrer Bestandteile oder ihres Klangs bilden jeweils ein zentrales konstruktives Element, das mit synthetischen im Computer entworfenen Klängen zu einer virtuellen Stadtlandschaft erweitert wird.

Anmerkungen zur Realisation

5 Aspekte - Symmetrie, Schwebung, Rauschen, Harmonie, Farbe - werden jeweils 3 Mal auf je andere Weise zur Gestaltung eines der insgesamt 15 Soundscapes herangezogen. Diese Aspekte bestimmen vor allem die Komposition der Orgelstimme, während die mit SuperCollider vorproduzierten synthetischen Texturen die als konstruiertes architektonisches Gerüst verstandenen Orgelkänge in eine virtuelle Landschaft einbetten, umspielen oder kontrastieren.
Da die meisten dieser vom Computer abgespielten Soundscapes vorproduziert und also zeitlich fixiert sind, bekommt der Organist zur Synchronisation eine Takt- bzw. Zeitanzeige per OSC auf ein Smartphone-Display.
Je einmal pro Aspekt werden die Orgelklänge auch mittels Live-Elektronik erweitert, wobei die Art der Klangbearbeitung in gewisser Weise dem jeweiligen Aspekt entspricht: spektrale Spiegelung per Ringmodulation, tieffrequente Amplitudenmodulation, zufällige Verzögerungen, subharmonische Transposition und Resonanzfilterung.