Prometeus

Diese Konzertinstallation wurde für eine simultane Aufführung mit Ludwig van Beethovens Orchestermusik zum Ballett "Die Geschöpfe des Prometheus" op. 43 entwickelt.
Sie umfasst eine visuelle Ebene, bestehend aus 8 verschiedenen Videos, die über 16 Bildschirme wiedergegeben werden, sowie vier 6-kanalige Tonbandzwischenspiele und ein elektronisches Finale. Der visuelle Part begleitet das Orchesterspiel wohingegen die elektronische Musik sich mit Beethovens Musik abwechselt.


Aufführungen

Die Konzertinstallation wurde dreimal im Juni 2003 zusammen mit dem Universitätsorchester Erfurt unter der Leitung von Sebastian Krahnert in Erfurt und Jena aufgeführt.

Bild- und Klangbeispiele

Standbilder einzelner Bildschirme und Montagen aller 8 unterschiedlichen Bildschirme:


Einige Videosequenzen mit Montagen der 8 Videos:

05 Adagio 09 Adagio Element C


Klangbeispiele der elektroakustischen Interludien (stereo downmix):

Prometheus-Element 2:

Prometheus-Element 3:

Prometheus-Element 4:

Programmanmerkungen

Prometheus ist eine der wenigen Gestalten der griechischen Mythologie, deren Symbolkraft und Bedeutung bis in unsere Tage reicht. Die unterschiedlichen Versionen des Mythos berichten vom Titanensohn Prometheus als Schöpfer des Menschen, als Erzieher und Lehrer und als Überbringer des Wissens und des Feuers - als solcher verwandt mit Luzifer, dem Lichtbringer der jüdisch-christlichen Mythologie, oder mit dem germanischen Loki -, der schließlich von Zeus für seinen Ungehorsam und seine Menschenfreundlichkeit bestraft wird. Die verschiedenen Facetten dieser göttlichen Gestalt und ihrer Beziehung zum Menschen haben Maler, Dichter und Komponisten zu allen Zeiten angeregt. Neben Ludwig van Beethoven schufen auch andere Komponisten, wie Franz Liszt, Alexander Skrjabin und Luigi Nono musikalische Werke, in der sich die Thematik um Prometheus mit neuen künstlerischen Visionen verband.
"Die Geschöpfe des Prometheus", im Jahre 1801 von Ludwig van Beethoven komponiert, wird, in Anlehnung an ihre ursprüngliche Bestimmung als Ballettmusik, in unserer Aufführung ebenfalls mit Bildern und Bewegungen konfrontiert, die sich mit dem Mythos um Prometheus und die Erschaffung des Menschen auseinandersetzen.
Die Sprache des menschlichen Körpers wird durch digitale Transformationen vielfach gespiegelt, gebrochen, abstrahiert und resynthetisiert. Elektronische Klangbearbeitungen vermitteln zwischen dem Orchesterklang und dem visuellen Geschehen. Die Musik Beethovens wird in eine Bild- und Klanglandschaft eingebettet und bildet zusammen mit dieser eine Konzertinstallation. Die "Tänzer" erscheinen in unserer Version des Balletts inmitten der Musiker auf 16 Monitoren, die von paarweise von 8 möglichst synchron betriebenen DVD-Playern angesteuert werden sollen. Um das Publikum herum ist eine 6-kanalige Surroundbeschallung aufgebaut, die es erlaubt, das auf den engen Raum des Orchesterpodiums konzentrierte musikalische und visuelle Geschehen von Zeit zu Zeit mit vom Computer wiedergegebenen und im Raum verteilten elektroakustischen Klängen aufzubrechen.

Anmerkungen zur Realisation

Für den Videopart wurden hauptsächlich Aufnahmen von Orchesterproben, Hand- und Körperbewegungen sowie Strassenszenen verwendet, die teilweise mit Hilfe von Jitter und MaxMSP transformiert wurden.
Die akustischen Zwischenspiele und das Finale wurden basierend auf elektronischen und Orchesterklängen mit Hilfe von SuperCollider2 und Nuendo realisiert. Das harmonische Rückgrat der Klangmanipulationen bildet der Quartenakkord aus "Prometheus - Poem vom Feuer" von Alexander Skrjabin.

Ein besonderer Dank geht an die Tänzerin und Choreographin Iris Sputh, die mit ihren Handbewegungen nicht nur visuelles Material beisteuerte, sondern durch ihre Improvisationen auch wesentlich zur Gestaltung der Szenen beigetragen hat.

Weiterhin danke ich
Stefan Gollhardt für seine Hilfe bei Videoaufnahmen,
Hannah Leonie Prinzler und Felix Sattler für die Videokamera,
der Austellungsmanufaktur Hertzer GmbH Berlin für Videokabel,
Johannes Gräßer für Technikbeschaffung
und nicht zuletzt Sebastian Krahnert für die Einladung, dieses Projekt zu realisieren.

Gedanken zur Installation

Während meiner Beschäftigung mit den verschiedenen Mythen um den griechischen Titanen Prometheus haben sich für mich einige Fragestellungen herauskristallisiert, die für meine Arbeit an der Installation sehr wesentlich geworden sind. Diese Probleme lassen sich am besten durch kurze Textfragmente beschreiben, die ich bei Recherchen zu Prometheus, dem ursprünglichen Sujet des Balletts sowie den Werken anderer Komponisten über diese Gestalt gefunden habe und die mich während dieser Arbeit nicht mehr losgelassen haben.
Der Titan Prometheus widersetzt sich dem Zeus, der sich nach der siegreichen Schlacht der Götter gegen die Titanen zum Herrscher aufgeschwungen hat, indem er den von Zeus ob ihrer wachsenden Fähigkeiten mißtrauisch beobachteten Menschen das ihnen von den Göttern vorenthaltene Feuer brachte.
Dafür und für weitere Vergehen wird der Menschenfreund Prometheus von Zeus für alle Zeiten an einen Felsen im Kaukasus geschmiedet, wo jeden Tag ein Adler seine sich immer wieder erneuernde Leber frisst.
Dieser Ungehorsam Prometheus' gegenüber dem Herrscher trifft ihn im Beethovenschen Ballett selbst, wo seine Geschöpfe von den Göttern nicht nur Empfindung und Vernunft erlernen, sondern sich schließlich auch zum Waffentanz verführen lassen.

Erich Fromm in "Propheten und Priester", 1967:
"Die Frage nach dem Ungehorsam ist heute von lebenswichtiger Bedeutung. Während die Menschheitsgeschichte der Bibel zufolge mit dem Akt des Ungehorsams von Adam und Eva begann und die Zivilisation nach der griechischen Mythologie mit dem Ungehorsam des Prometheus ihren Anfang nahm, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß die Menschheitsgeschichte mit einem Akt des Gehorsams ihr Ende finden wird."

Prometheus ist nicht nur der Erzieher der Menschen, sondern in manchen Mythen auch der Schöpfer der Menschen, die er aus Lehm formt und denen er mit Hilfe von Athene das Leben einhaucht.
Aber letztlich werden sich die Menschen von dem von ihrem Schöpfer zugedachten Schicksal befreien müssen, um selbst erschaffen zu können.

Karl Marx in "Ökonomisch-philosophische Manuskripte" 1844:
"Ein Wesen gilt sich erst als selbständiges, sobald es auf eignen Füßen steht, und es steht erst auf eignen Füßen, sobald es sein Dasein sich selbst verdankt. Ein Mensch, der von der Gnade eines andern lebt, betrachtet sich als ein abhängiges Wesen."

Daß sich Schöpfer und Heilsbringer sehr leicht zu Despoten wandeln können, musste Beethoven selbst erleben, als er 1804 von der Krönung Napoleons zum Kaiser erfuhr. Nachdem schon die Figur des Prometheus im Ballett ein Symbol für Napoleon war, hatte Beethoven seine 3. Sinfonie, in der sich musikalisch-thematisches Material aus den "Geschöpfen des Prometheus" wiederfindet, ursprünglich Napoleon widmen wollen, der von vielen europäischen Intellektuellen und Künstlern damals als Überbringer der Werte der Französischen Revolution und der neuartigen bürgerlichen Verfassung angesehen wurde. Später strich Beethoven den Namen Bonaparte und widmete die Eroica "zur Feier des Andenkens an einen großen Menschen".

Beethoven persönlich an Ferdinand Ries, bei der Überbringung der Nachricht von Bonapartes Kaiserkrönung, 1804:
"Ist der auch nichts anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize fröhnen; er wird sich nun höher, wie alle Andern stellen, ein Tyrann werden!"

Jeder menschliche Schöpfer erlebt den Prozeß des Erschaffens nicht nur als geradlinigen ungebrochenen Prozeß. Zweifel am eigenen Werk sind eine immer wieder auftretende Erscheinungsform kritischer Reflektion.
Charles Darwin, einer der Schöpfer der anti-kreationistischen Evolutionstheorie, nach der die Lebensformen nicht erschaffen wurden, sondern sich fortwährend in einem nicht-zielgerichteten Prozeß aufgrund weniger Gesetze, wie dem Selektionsprinzip, entwickeln, fand seine eigene Lehre in einem Punkte selbst nicht überzeugend:

Charles Darwin in "Die Entstehung der Arten", 1859:
"Anzunehmen, daß das Auge mit allen seinen unnachahmlichen Vorkehrungen, den Focus den verschiedenen Entfernungen anzupassen, verschiedene Lichtmengen zuzulassen und sphärische wie chromatische Abweichungen zu verbessern, durch die Zuchtwahl entstanden sein, scheint, ich bekenne es offen, im höchsten Grad absurd zu sein."


Diese Gedanken bilden den Hintergrund für meine Video- und Klanginstallationen zu den "Geschöpfen des Prometheus". Den sichtbaren Vordergrund bilden Bewegungsmuster, Elemente von Tanz und Artikulation, Abstraktions- und Kommunikationsprozesse, Symbole und Bedeutungen, die ich aus verschiedenen, teilweise stark bearbeiteten Videoaufnahmen gewonnen habe, und mit denen ich versucht habe, einen evolutionären Prozess zu gestalten.
Orchestermusik und visuelle Szenenfolge werden von elektroakustischen Zwischenspielen unterbrochen. Das verwendete Klangmaterial ist entweder synthetisch oder entstammt einigen Orchesteraufnahmen. Das harmonische Rückgrat der Klangmanipulationen bildet der Quartenakkord aus "Prometheus - Poem vom Feuer" von Alexander Skrjabin.

Andre Bartetzki